Sonntag, 22. März 2020

3. Tag (1.3.2020)

Dieser Tag wird mir für ewig in Erinnerung bleiben. Ich bin in eine Lawine gekommen. Es war stürmisch und es hat geschneit als ich los lief. Die Sicht betrug etwa hundert Meter. Anfänglich bin ich dem Snowmobil-Track gefolgt. Die Spur ist alle alle fünfzig Meter markiert, so dass nur ein Blinder vom Weg abkommen könnte. Es hatte beachtlich viel Neuschnee auf der Piste. Oben auf der Kuppe habe ich den Weg verlassen und bin links abgebogen, obwohl die Sicht schlecht war. Angst hatte ich keine. Ich habe auf dem Smartphone eine hervorragende App installiert, die die genaue Position sehr zuverlässig anzeigt. Auf der App sind alle wichtigen Informationen wie Höhenlinien eingezeichnet, so wie man das auch in der Schweiz von einer Landkarte im Massstab 1:25000 kennt. Ich hatte auch noch einen mechanischen Kompass dabei. Um ein bisschen Übung zu bekommen habe ich nach Gefühl navigiert, aber regelmässig mit der App nachkontrolliert. Es war einfacher abseits der Piste zu laufen. Der Wind hatte den Neuschnee weggeblasen, so dass ich auf hartem Schnee lief. Die Sicht wurde besser. Leider habe ich mich dann zu lange bei der Navigation auf mein Auge verlassen und auf mein Gefühl vertraut und bin dann zu stark westlich von der Idealinie abgekommen. Nach einer kurzen Kontrolle habe ich den Fehler bemerkt und wollte ihn korrigieren und um den Berg herum laufen, damit ich nicht nochmals aufsteigen musste. Ich habe die Richtung dann aber nicht mehr überprüft. Die Abfahrt mit den Skiern gestaltete sich schwierig. Die Backcountry-Skier sind ein Mix zwischen Touren- und Langlaufskier. Sie haben zwar Metallkanten, aber die Schuhe und die Bindung sind fast identisch mit Langlaufskiern und Schuhe - nur etwas breiter. Ich kam immer tiefer. Dann kam dieser blöde Rentierzaun und zwang mich noch weiter talabwärts zu fahren anstelle den Berg zu traversieren. Plötzlich befand ich mich in einem Steilhang mit sehr tiefem windverwehten Pulverschnee. Ich habe meine prekäre Lage sofort realisiert. Mein erster Gedanke war: "Shit!" Zwei Sekunden später kam der Hang in Bewegung und ich rutschte auf meinem Rucksack mit den Skiern voraus in der Lawine mit. Mein erster Gedanke war: "Oh, nei, Bittä nüd!" Wenn es irgendwelche Zweifel gegeben hätte, ob das Leben lebenswert ist und ich noch länger "da-sein" möchte, hätte sich diese Frage nun geklärt. Dann dachte ich an meine Familie. Ich wäre, wenn überhaupt, erst im Sommer gefunden worden. Dann fokussierte ich mich nur noch auf das Geschehen. Ich habe versucht, die Skier auszuziehen als ich in der Lawine den Hang runterrutschte, was mir aber nicht gelang. Dann wollte ich kontrolliert in der Lawine runterkommen. Der Hang war nicht sehr lang und zu meinem Glück lagen da auch grosse Felsbröcke, die die Lawine nach etwa fünfzig Meter zum Stoppen brachten. Mich hatte sie neunzig Grad nach rechts gedreht. Ich konnte meine Skier und Rucksack abschnallen. Dann schaute ich den Hang an und wo ich am besten aus dem Hang rauslaufen konnte ohne eine Nachlawine auszulösen. Ich stand neben einem Felsen und machte erstmals ein Foto. Zuerst lief ich zu Fuss nur mit den Skiern und Skistöcken in den Händen aus dem Lawinenhang. Dann holte ich den Rucksack, welchen ich rauszog. Meine Thermosflasche war aussen am Rucksack angemacht und ging verloren. Das Risiko war mir zu gross, nach ihr zu suchen. Ich machte mich bald wieder auf den Weg. In Gedanken war ich noch lange bei der Lawine. Ich dankte, an wen auch immer, dass ich so glimpflich davon gekommen bin. Der Zeitverlust von zwei Stunden war ohne Bedeutung. Immerhin hatte ein Schneemobil eine Piste für seine Huskys gewälzt, der ich folgen konnte bis zu meinem ersten Biwakplatz auf der Tour. Das Aufstellen des Zeltes war einfach. Wegen den drei Verstrebungen ist es sehr stabil und es steht auch ohne dass man es mit Heringen sichern muss. Es ist halt ein Ein-Personen-Zelt und bietet gerade Platz für mich und meinen Rucksack. Im kleinen Vorzelt kann man kochen.

Strecke und Eindrücke 3. Tag




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