Montag, 23. März 2020

6. Tag (4.3.2020)

Wie jeden Morgen ist das Aufstehen eine Qual. Gerne würde ich noch länger im Schlafsack liegen bleiben und nicht in die kühlen Schuhe steigen müssen. Das Abbauen und zusammen packen dauert eine halbe Stunde. Die Füsse sind kalt und werden erst beim Laufen warm.

Es war stürmisch. Nach zwei hundert Meter lief ich bei der Schutzhütte vorbei, die ich gestern nicht gefunden hatte. Eine solche Hütte bietet mehr Platz als mein Zelt. Wärmer als im Zelt ist es nicht, eher kälter. Ich überquerte die erste Autostrasse, die von Schweden nach Norwegen führte. Daran lag das Ort Tänndalen, wo ich mir eine Coca Cola gönnen wollte. "Restaurant" stand auf einem Schild, aber es existiert schon seit drei Jahren nicht mehr. Auch die Unterkunft wurde in Wohnungen umgebaut, was mir eine Schwedin in meinem Alter sagte, die ich nach dem Restaurant fragte. Sie war mit ihrem Mann in ihrer Ferienwohnung. Sie haben mich zum Chili-Con-Carne eingeladen und ich habe die Einladung dankend angenommen. Ich esse immer nur einmal warm am Tag und zwischendrin gibt es noch Trockenfutter. Eigentlich esse ich viel zu wenig und kann meine verbrauchten Kalorien nicht zuführen. Hunger hatte ich aber auf der Tour noch nie. Ich musste aber nicht lange überlegen, die Einladung anzunehmen. Es folgte ein Erlebnis, was mich auch später auf meiner Tour noch länger beschäftigen sollte. Die Gastgeberin erinnerte mich an eine alte Freundin, die ich vor dreissig Jahren bei einem Sprachaufenthalt in Edinburgh kennen gelernt habe. Damals war sie noch neunzehn Jahre alt. Sie hiess wie meine jetzige Gastgeberin Kerstin und kam auch von Uppsala. Ich erfuhr, dass sie mit ihrem Mann und ihrer Familie in Edinburgh zur Sprachschule gingen. Das war das Ort, wo ich sie kennengelernt hatte, aber sie war ohne ihre Familie da und ein paar Jahre früher. Ein paar Jahre später hatte ich sie nochmals in Norwegen getroffen. Das letzte Lebenszeichen von ihr war ein Brief, den sie mir aus Frankreich geschrieben hatte, als sie das erste Mal schwanger war. Da dürfte sie vielleicht fünfundzwanzig gewesen sein. Leider habe ich nicht nachgefragt. Sie schien mir auch eher vier Jahre älter als jünger zu sein. Das beschäftige mich die nächsten Tage, mehr als mich das Lawinenunglück nachdenklich machte. Das habe ich überraschend gut verarbeiten können. Ich habe einen damaligen Freund auf Facebook angeschrieben und ihn nach zusätzlichen Informationen über Kerstin gefragt, aber keine keine Antwort erhalten.

Damit ich schneller vorwärts kam, bin ich auf der Langlaufpiste gelaufen. Ich hatte vor nach Bruksvallarna zu laufen. Bruksvallarna ist das Langlaufzentrum des schwedischen Nationalteams. Ich war da vor gut dreissig Jahren im Trainingslager. Ich habe schöne Erinnerungen von dieser Zeit. Gunde Svan und Thomas Wassberg konnte ich damals live bestaunen. Ich hatte den Plan geschmiedet in Bruksvallarna in die Bar zu gehen, wo ich abends Bier getrunken hatte und ein Erinnerungsfoto zu machen, was ich bei Gelegenheit einem damaligen Trainingspartner und Konkurrent Armin Beeler zeigen wollte. Dazu wird es aber nicht kommen. Das Hotel war nicht für die Öffentlichkeit geöffnet und die Bar geschlossen. Aber alles der Reihe nach:

Als ich Kerstin und ihren Mann verlassen habe und Richtung Bruksvallarna lief, traf ich auf der Langlaufpiste eine junge hübsche Dame aus Stockholm. Nach einem kurzen Gespräch bot sie mir an, mich mit dem Auto nach Bruksvallarna zu fahren. Das war günstig. Ich wusste nicht, ob ich da eine günstige Unterkunft finden würde. Meine letzte Dusche lag schon wieder drei Tage zurück und ich hätte nichts dagegen gehabt in einem Hotel zu übernachten. Sie lief mit ihren Langlaufskiern nach Tänndalen von wo ich gerade herkam. Sie wohnte in der Ferienwohnung ihrers Grossvaters. Ich selber lief weiter zur nächsten Ortschaft Fünesdalen, wo wir uns im Supermarkt verabredeten. Das war fast drei Stunden später. Es folgte eine kurzweilige Autofahrt ins zehn Kilometer entfernte Bruksvallarna. Sara hatte ihr Snowboard im Auto. Sie arbeitet im Marketing und oft von zu Hause aus. Weil ich keine bezahlbares Zimmer in Bruksvallarna gefunden habe, hat sie mich in einem Hotel in Fünesdalen abgesetzt. Das einfache Zimmer kostete mich sechzig Franken. Günstiger wird man in Schweden kaum etwas finden. Ich wusste, dass es schwierig sein würde in Bruksvallarna ein bezahlbares Zimmer zu finden. Ich wollte meine Langlaufskiferien vor der Skitour eigentlich da verbringen. Ich fand dann in Norwegen ein Bungalow auf einem Campingplatz. Ich hätte aber lieber in Schweden eine Unterkunft gefunden.

Strecke und Eindrücke 6. Tag







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